[story] Geschichte ausm Stoffladen

Diskutiere [story] Geschichte ausm Stoffladen im Handarbeitsforum Forum im Bereich Handarbeiten; Hallihallo! Ich würde mal fürn paar Tage untertauchen, ich bin irgendwie im Sinkflug. :horror: Damit Ihr mich nicht ganz vergesst die paar Tage...
Allysonn

Allysonn

born to be bunt
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Sachs'n
Hallihallo!
Ich würde mal fürn paar Tage untertauchen, ich bin irgendwie im Sinkflug. :horror:

Damit Ihr mich nicht ganz vergesst die paar Tage (Lacht nicht, sowas geht schnell!), gibts hier noch ne kleine stoffliche Erinnerung:

Geschichte aus dem Stoffladen

Vor nicht allzu langer Zeit wohnte in einem Stoffladen ein Ballen mit Stoff. Eng an seine Nachbarn geschmiegt, stand er im Regal und wartete auf seine große Zeit. Oft kamen Leute in den Laden und ihre Augen und Finger glitten über die Reihen der Ballen, zogen da einen heraus und dort... manchmal sogar einen seiner Nachbarn, den hellblauen mit den dunklen Schnörkeln und auch den Nachtdunklen mit den kleinen Sternchen.
Nur diesen einen Ballen in klarem, schlichten Mittelblau ohne jegliches Muster zog niemand heraus, um ihn genauer zu betrachten...

Das machte den Stoff traurig, er wollte doch so gerne vernäht werden, zu einem tollen Quilt oder zu einer Tasche... Doch niemand schnitt auch nur ein winziges Fetzelchen von ihm ab. Lange wartete der Stoff und dann, eines Tages sah er seine Hoffnungen endlich erfüllt. Kräftige Hände packten ihn, zogen ihn zwischen seinen Nachbarn heraus und... trugen ihn zu einem anderen Regal, um ihn dort wieder hineinzustellen.
Kein Abschneiden? Nicht ein winziges Stück? Das war nicht das, was er sich vorgestellt hatte.

„Weißt du, was hier vorgeht?“ fragte er seinen neuen Nachbarn, einen sonnengelben Stoff mit rosafarbenen Blumen.
„Nein, leider nicht. Ich hatte schon gehofft, endlich vernäht zu werden!“ antwortete dieser.
"Das hatte ich auch...!“ sagte der blaue Stoff.


So standen sie lange nebeneinander, erzählten sich dies und das und warteten auf jemanden, der sie vernähen würde. Doch die Leute, die in den Stoffladen kamen, gingen an ihrem Regal nur vorbei, hinüber, dorthin, wo Blau und Sonnengelb vorher gestanden hatten. Dort streichelten sie Stöffchen und wählten aus. Und der blaue Stoff, sein blümchenübersäter Nachbar und andere warteten weiter...

Bis zu jenem Nachmittag, als die Ladentür aufging und ein kleines Mädchen hereinkam, 10 Jahre war sie wohl oder 11. Sie ging direkt zur Frau hinter dem Ladentisch: „Können Sie mir helfen? Meine Mama hat ein Baby bekommen und ich möchte eine Krabbeldecke für mein Brüderchen nähen!“
„Kannst du denn nähen?“ fragte die Frau etwas erstaunt.
„Natürlich!“ sagte das Mädchen stolz und zog einen Topflappen aus ihrer Beuteltasche: „Da, das hab ich gemacht! Ganz alleine. Nur den Henkel hat Mama drangemacht!“
Der blaue Stoff konnte sehr gut sehen, dass der Topflappen gut aussah, immerhin waren da blaue Dreiecke mit drin!

Die Frau hinter dem Ladentisch nickte: „Na dann... wieviel willst du denn ausgeben dafür?“ Das Mädchen zog aus ihrem Beutel ein großes rosa Sparschwein heraus: „Alles, was ich hab!“ Sie stellte das Schwein auf den Ladentisch und öffnete seine Bauchklappe. Ein Schein und viele Münzen purzelten auf den Tisch. Gemeinsam mit der Frau zählte das Mädchen das Geld: „25 Euro und vier Cent!“ verkündete es.

„Oh oh!“ sagte die Frau. „Das ist knapp. Aber weißt du was? Du nähst das Stück einfach hier, erlaubst mir Fotos davon zu machen, dann schicken wir das an eine Zeitung und das Honorar dafür deckt die Restkosten ab.“
Das Mädchen nickte eifrig: „Das wäre toll!“
„Prima!“ sagte die Frau und zeigte auf das Regal mit dem blauen Stoff: „Vielleicht findest du ja da ein schönen Stoff, die sind preiswerter.“

Das Mädchen nickte, ging zu dem Regal und ließ ihre Augen und ihre Hände über die Ballen gleiten. Sie zog dort einen Stoff heraus und da... und - oh mein Gott - auch den blauen und den sonnengelben... „Die möcht ich! Die sehen so schön spielzeugbunt aus!“ Und die Verkäuferin nickte, nahm die vier Ballen und trug sie ins Nähatelier im Hintergrund und schnitt je ein Stück von ihnen ab.
„Endlich!“ seufzte der blaue Stoff...

Die nächsten Nachmittage nach der Schule kam das Mädchen ins Atelier, um zu nähen. Sie zerschnitt die Stoffe zu großen Quadraten und nähte sie zusammen, die Verkäuferin machte immer wieder Fotos und half, wenn es irgendwo hakte.

Die Reste der Ballen sahen vom Regal im Atelier aus zu, was da gewerkelt wurde. Jeder von ihnen fühlte noch seine Teile, die da unten im Krabbelquilt ein neues zu Hause gefunden hatten, sie spürten das Streicheln der Mädchenhände und das Kitzeln der Nähmaschinennadel.

Irgendwann war der Quilt fertig, gefüttert (oh, wie kuschelig!), gequiltet (Hihi, das krabbelt!) und mit einem schönen Binding versehen. Dann kam er in eine Kiste. Die Ballen auf dem Regal spürten die Dunkelheit und die Enge in der Kiste, als säßen sie selber mit darin. Doch das war nicht schlimm. Denn kurze Zeit später wurde es wieder hell und eine Frau mit einem Baby auf dem Arm hob den Quilt ans Licht: „Ohhhhhhh ist der schön!“
Und das Mädchen stand daneben: „Gefällt er dir wirklich? Ich hab ihn selbst gemacht!“

Die Tage und Wochen danach fühlten die Stoffballen, die solange unbeachtet geblieben waren, sich unendlich wohl. Sie spürten das Baby, das auf dem Quilt lag, hörten das Lachen des Mädchens und es wurde ihnen schwindlig, wenn der Quilt in der Waschmaschine tanzte... Es war ein schönes Stöffchenleben.


Eigentlich könnte die Geschichte hier zu Ende sein. Könnte. Ist sie aber nicht. Ihr erinnert Euch doch an die Frau im Stoffladen? Ja, genau, die dem Mädchen geholfen hat und den Quilt fotografiert hat. Diese Frau hat das Foto mitsamt der Geschichte tatsächlich an eine Patchworkzeitschrift geschickt, die es auch veröffentlicht hat. Und es kam, was keiner vorher geglaubt hätte: Die Zusammenstellung des Quilts gefiel so vielen Näherinnen, dass sie nachfragten, ob nicht noch von den Stöffchen etwas da wäre...

Und so leben der schlichte mittelblaue Stoff und sein rosageblümter gelber Nachbar jetzt in 7 weiteren Babyquilts fort und jeder von ihnen spürt den anderen.

„... und weißt du was?“ flüstert manchmal eines der sonnengelben-rosageblümten Quadrate: „Ich wollte immer an der Wand hängen, edel und fein herunter guggen auf die Welt! - DAS hier ist tausendmal besser, als von der Wand zu schauen...“
 
kex

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Kein Profi ^^
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So schön :love:!
Und ich hoffe, du tauchst bald wieder auf und holst Luft, sonst könnte es eng werden :tagebuch4: .
 
celtic lady

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Andrea
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Danke, eine sehr schöne Geschichte :tagebuch4:

Bis demnächst!
 
Anne Rother

Anne Rother

Teamhexe für alle Fälle
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Oh Allysonn, Du hast das echt drauf. Was eine schöne Geschichte und ich drück Dich mal aus der Ferne 🥰

lass uns hier nicht zu lange allein,vergessen werden wir Dich sicherlichnicht.
 
Manu101

Manu101

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Tolle Geschichte! Gefällt mir sehr gut. Macht Lust auf mehr :).

Viel Spass in deiner Auszeit :).
 
STERNENFEE

STERNENFEE

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Danke für die schöne Geschichte, ich fand sie sehr rührend, hatte sogar ein paar Tränen in den Augen.
(hatte heute kein so schönen Tag) .
 
Boxermama

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Danke für die schöne Geschichte :tagebuch4:

LG Birgit
 
beate (reena)

beate (reena)

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ach Allysonn, was für eine tolle Stöffchengeschichte und lass uns nicht zu lange warten bis du wieder hier bist :tagebuch4:
 
Gabi-aus-Franken

Gabi-aus-Franken

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So eine schöne Geschichte. Tauch nicht so tief und komm bald wieder
 
C

Christine aus MV

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Eine wunderbare Geschichte eröffnet das Jahr!
 
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Sehr sehr nett und branchenecht erzählt 😊
 
Beka

Beka

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Eine schöne Geschichte. Ich war überrascht kein Photo von dem Babyquilt zu sehen wie bei der Adventgeschichte :)
 
strickliesel50 ( Uschi)

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Liebe @Allysonn,

Erst mal vielen Dank für deine so schöne Geschichte.
Du bist einmalig. Lasse uns nicht zu lange alleine. Ich vermisse dich jetzt schon.
 
Elisabeth 1982

Elisabeth 1982

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Lieben Dank Allyson für die liebe Geschichte. Du schreibst so toll :-85: Dankeschön.
Bleib nicht zu lange weg....
 
I

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schöne Geschichte
Viele Grüße Ibge
 
Blumenmädel

Blumenmädel

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Hey,hab die Geschichte in der Frühstückspause auf Arbeit gelesen. so schön! Sie versüsst mir den restlichen Tag. Danke
 
Christa

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@Allysonn , deine Geschichte ist wieder so schön geschrieben. Ich hoffe auch, dass du nicht so lange wegbleibst.
 
Allysonn

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Sachs'n
Manchmal... manchmal hört man einen Song (DeineRöhre-Link!) und fällt in ein Loch. So unvermittelt, das einem die Luft wegbleibt und man eine Zeitlang bewegungsunfähig ist...

... bis man merkt, dass das Loch gar nicht so tief ist wie sonst. Dass man eigentlich nur den Kopf heben braucht, um wieder klar zu sehen... Also: Aufstehen, sich den Dreck von den Knien kloppen und mit gewohnter Eleganz in die nächste Pfütze hopsen!

Platschhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh ^^

Lieder sind Schall und Rauch.
Dieses auch!
 
Allysonn

Allysonn

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Sachs'n
Huh! Ich fühl mich grad so :tagebuch4:

Dat is ja man schön! ^^
 
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